Neuer Job, neues Glück

Habe wieder mal den Beruf gewechselt. Das mit der Selbstständigkeit brachte nichts ein, jetzt arbeite ich in einem eleganten Büro, kleide mich elegant und bekomme regelmäßig Geld. Und ich habe überhaupt keine Zeit mehr. Weiß noch nicht wie ich damit umgehen soll. Gut gemeinte Ratschläge sagen, da gewöhnt man sich dran, aber ich weiß nicht, ob das was Gutes sein kann, sich dran zu gewöhnen, dass man nie mehr eigenen Plänen nachgehen kann. Ich werde das mal beobachten, habe aber gerade das Gefühl, man muss sich entscheiden, ob man Geld zu leben haben will, dann reicht die Zeit aber nicht mehr zum Leben, oder ob man Zeit zum Leben haben will, dann ist es mit dem Leben nicht so weit her und das Geld reicht nur für Wagenplatz und kalt duschen.

Wo bitte gehts zum richtigen Ende?

Es gibt ja so Dauerbrenner-Themen in Leben: Da war ich nun bei meinem Zahnarzt, habe mir meine 450 Euro Zahnkrone machen lassen, und gleich kommt er mit neuen Ideen. Ich bräuchte unbedingt so eine abgefahrene Sorte elektrischer Zahnbürste für 200 Euro, weil die meine Zähne richtig sauber macht und mir die nächsten 450 Euro spart, und die beste Zahncreme am Markt, die kostet 5 Euro pro Tube. Als ich traurig sagte, mehr Geld für Zähne sei nun wahrlich nicht drin, meinte er, das sei am falschen Ende gespart. Und überhaupt sei doch nun bald wieder Weihnachten, und was eignet sich besser für den Wunschzettel als eine elektrische Zahnbürste! Da steht aber schon eine rückenschonende Bettmatratze drauf, und für das Jahr drauf ein Schreibtischstuhl gegen meinen verspannten Nacken, und weiter wollte ich noch nicht planen, weil ich nicht weiß, wie sich das Verhältnis zu den Schenkern entwickeln wird, und überhaupt, was soll denn das heißen am falschen Ende? Das sagt sich ja immer leicht, wenn man viel Geld hat: An dem Ende muss doch noch was mehr drin sein. Aber welches Ende meint er denn, wo es ruhig fehlen kann? Nicht ständig im Kino alles Geld für Popcorn verballern? Auf dem Rummelplatz nach 6 Runden Achterbahn auch mal an die Gesundheitsrücklagen denken? In eine kleinere Wohnung ziehen, damit die Zahnausgaben bestritten werden können? Weniger waschen? Weniger essen? Wo ist denn hier das richtige Ende?

Auch schön:

Kein Mensch würde schließlich auf den Gedanken kommen kostenlose Wohnungen in Charlottenburg-Wilmersdorf zu fordern.

(Engagierter Bürger zum Thema Aufregung über Parkplatzgebühren in der von SPD/PDS/Grünen finanzierten Parkraumbewirtschaftungs – Werbezeitung.)

1. Die empirische Basis dieser Behauptung scheint mir nicht so groß zu sein, das „kein Mensch“ zu rechtfertigen. Da müssen die Autoren wohl noch mal nachrecherchieren.

2. Es ist aber auch gar nicht als empirische Aussage gemeint, sondern soll die Beschwerde über die Verteuerung des Lebens an dem Vergleich mit zu bezahlenden Wohnungen blamieren. Nur, warum schreiben die Autoren dann, keine kostenlosen Wohnungen in Charlottenburg-Wilmersdorf (= Innenstadt), warum nicht nirgendwo? Weil sie sich kostenloses Wohnen am Stadtrand schon vorstellen können, für die Armen, die kein Geld haben, aber nicht da, wo alle gern wohnen wollen? Wir sehen uns dann im Märkischen Viertel.

Immer noch Parkplatzsorgen

Es lässt mich nicht los: Neulich hatten SPD/PDS/GRÜNE eine Parkraumbewirtschaftungszeitung verteilt, wo man noch mal gründlich für die Vorteile der Bezahlparkplätze geworben werden sollte. Ein Argument war: In zentralen Lagen wohnt es sich nun mal teurer, da braucht man sich auch nicht beschweren, wenn es NOCH teurer wird. – Als sei das ein Naturgesetz.

Ich kann mir das nur so erklären: Wer es sich nicht leisten kann in Mitte zu wohnen, soll halt ins Märkische Viertel ziehen, da gibt es Leerstände. Oder Hellerdorf. Marzahn! Wie, das liegt zu weit ab und man kennt da keinen? Wenn man da mal hingezogen ist, wird man die Leute dort schon kennenlernen, man muss sich halt nur ein bisschen Mühe geben. Mensch, es gibt doch wahrlich genug Platz zum Wohnen, aber die Menschen sind einfach zu unflexibel und finden immer was zum Meckern!

So schön ist Demokratie

Unser oller Bürgerentscheid ist gescheitert, so ein Mist. Dabei ist des Wort BürgerENTSCHEID selbst so schon eine Verarsche – die Bürger können entscheiden, eine EMPFEHLUNG an den Stadtrat auszusprechen. Und jetzt haben die Bürger also offenbar entschieden, dass nichts empfohlen werden muss.

Fast alle, die entschieden haben, haben zwar entschieden, die ABSCHAFFUNG der Parkautomaten zu empfehlen, aber die notwendige Mindestbeteiligung wurde nicht erreicht. Das kann man erstmal respektieren als: Die anderen fanden es offenbar nicht nötig, gegen die Automaten zur Wahl zu gehen. (Muss man aber auch nicht gleich umlügen zur überwältigenden Zustimmung der Anwohner zur Parkraumbewirtschaftung, wie es der SPD-Fraktionschef in der Taz tut.) Wenn man sich mal anschaut, wer alles wahlberechtigt war, dann wundert es weniger, dass 90% nicht gewählt haben: Was haben denn die Leute im Wedding oder in Moabit für einen Grund, gegen die Parkscheinautomaten vor meiner Haustür zu kämpfen? Andersherum würde ich Sonntags sicher auch nicht aufstehen, um für den Erhalt eines Spielplatzes an der Beusselstraße wählen zu gehen.

Weil man aber aus Schaden immer irgendwie klug werden kann, habe ich jetzt folgendes gelernt: Der Zuschnitt der Wahlkreise ist in einem demokratischen Prozess eine ganz entscheidende Größe für die Einigung in Sachfragen. Das nächste Mal, wenn meine WG diskutieren will, ob unser Badezimmer zu dreckig ist und wir öfter mal putzen sollten, werde ich meine neu erworbenen Kenntnisse ins Feld führen und eine demokratische Abstimmung aller Bewohner unserer Straße durchsetzen. Bei Unterschreiten eines freundschaftlich niedrigen Quorums von 10% der Wahlberechtigten fällt das Anliegen durch. Und dann werden wir erstmal mal sehen, ob hier mehr geputzt wird!

Das ist mal richtig Bürgerengagement

Die Anwohnerinitiative hat uns eine komplett unverbindliche Volksabstimmung über die Parkschein-Automaten vor unserer Haustür erkämpft, und trotz seines müden, rein empfehlenden Charakters hatte ich das bisher als Lichtblick wahrgenommen. Doch nach einer hitzigen Debatte mit engagierten Umweltbewussten bin ich ins Zweifeln gekommen, ob auf der Erfolg der Abstimmung zu hoffen der richtige Weg ist. Diese Menschen fanden es eine großartige Sache, dass alles rund ums Auto endlich teurer wird, damit das mit der Wirbelstürmen in der Karibik und der Polarschmelze mal aufhört. Ich meinte kleinlaut, dass doch alles schon teurer wird und wenn das so weitergeht, hört bald jede Lebensregung auf, weil das Geld dafür fehlt, aber das fanden sie nicht schlimm, so lange das mit den Autos auch aufhört. Im übrigen würden die Menschen verstärkt öffentliche Verkehrsmittel benutzen, wenn Autos teurer werden. Dass die BVG und die Bahn freilich gar nicht billiger werden, wenn das Parken teurer wird, und es also gar keinen Grund gibt, öfter Bahn zu fahren, sahen sie auch, aber: „Das muss noch kommen. Die Autoverteuerung kann nur der erste Schritt sein.“

Das mit der Umwelt und dem öffentlichen Personenverkehr ist ja in der Tat keine schlechte Sache, aber ich sehe gar nicht ein, dass ich immer noch weniger Geld zum Leben zur Verfügung haben soll, auch wenn es den Menschen in der Karibik durch meine Armut überhaupt nicht besser geht. Folgende weitere Schritte habe ich mir also überlegt:

Wir gründen einen Tarifverbund, der die Kosten von Autoverkehr und öffentlichem Personenverkehr umgestaltet. Die Politik ist bisher noch nicht dazu gekommen, aber die haben auch viel zu tun und Deutschland sind ja eh wir, wenn ichs richtig verstanden habe, und das heißt, dass nichts anders wird, wenn wir es nicht selbst in die Hand nehmen. Der „Tarifverbund Mensch und Umwelt“ wird als erster in Deutschland eine gemeinsame Fahrpreisstrategie für den öffentlichen und privaten Personenverkehr beschließen. Der Tarifverbund ist genossenschaftlich organisiert und die Mitglieder entscheiden über die Angemessenheit der Tarife. Umweltbelange sollen bei der Tariffestsetzung ausdrücklich mit berücksichtigt werden. In regelmäßigen Abständen wird der Tarifverbund über eine Erhöhung oder Senkung der Tarife beraten. Wir drucken eigene Tickets für Mitglieder des Tarifverbundes, die alternativ zu BVG-, Bahnfahr- oder Parkscheinen erworben werden können. Nach Abzug der Verwaltungskosten übrige Einnahmen werden an die Verkehrsbetriebe überwiesen. Wir machen unsere eigene ökologische Tarifreform! Und weil das Projekt so ökologisch ist, traut sich keiner, was gegen unsere selbstgedruckten Ticket zu sagen. Und das Modell wird sich wie ein Flächenbrand in der Stadt ausbreiten, wenn die anderen Fahrgäste erstmal merken, dass wir für 1,20 hin und zurück nach Sans Souci fahren und deswegen noch Geld für Eis haben. Bei der Bundesbahn sehe ich noch viel größere Einsparpotentiale.

Anfragen zu Franchise in anderen Regionen an: kaszewska@tarifverbund.info

Was machen die im Kindergarten mit den Kindern: Schießübungen?

Heute morgen im Supermarkt sagte eine Frau an der Kasse besorgt zum Kind: Wenn ich immer so viel Geld ausgebe, werde ich bald ganz arm. Daraufhin das Kind fürsorglich: Wenn du arm bist, kannst du doch zur Bank gehen, da kriegt man immer neues Geld.

In meiner Müdigkeit schien mir das endlich ein Ausweg: Kinder als nicht strafmündige Bankräuber. Man müsste sie nur dazu kriegen, es freiwillig zu machen, denn die Anstiftung dazu bringt einen leider wieder in den Knast. Aber dann fiel mir ein, dass die Kiddies ja trotzdem weder ihr Geld noch ihre Waffen behalten dürfen, wenn sie erwischt werden, und dann hat man doch nichts von. Oder hatte die Kleine das noch anders gemeint und dachte gar nicht daran, bewaffnet zur Bank zu gehen? Was ist der Trick? Besitzen Kinder ein geheimes Wissen?

Die Bildungsreform muss kommen!

Ist ja gar nicht so leicht sein eigener Arbeitskraftunternehmer zu werden. Die ganzen Formulare beim Finanzamt habe ich auch nach mehrmaligem Lesen nicht verstanden. Bisher dachte ich immer, das sei ein Problem niedriger Schulbildung. Jetzt weiß ich, dass das Hochmut war. Zum Glück gibt es aber bald eine Bildungsreform, wo man ab der dritten Klasse schon Unterricht in Betriebswirtschaft und Jura bekommt. Da kann dann sowas nicht mehr so leicht passieren.

(Es sei denn bis man aus dem Grundschulalter die Arbeitsmarktreife erlangt, sind die ganzen Vorschriften schon wieder so verändert, dass einem das ganze Pauken nichts genützt hat.)

Dem Jobcenter den Rücken gekehrt (und direkt den nächsten in die Arme gelaufen)

Ich werde Ich-AG! Zukünftig halte ich 100% der Anteile an meiner Person, und bin ganz allein dafür verantwortlich, ob jemand mit meiner Arbeitskraft was anfangen, und vor allem sie bezahlen will. (Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich was Neues ist.)

Was haltet ihr von meinem Slogan: „Aus Agate wird jetzt Agate-AG, sonst ändert sich nix!“ Zu wenig frisch?

Da wollen wir nicht hin

Das Jobcenter hatte sich geweigert, meine Miete zu zahlen, als guter Staatsbürger habe ich von meinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht. Weil aber mein Widerspruch einen Tag zu spät beim Amt ankam, haben sie sich wiederum geweigert, meinen Widerspruch zu bearbeiten. Beim Amtstermin wurde mir freundlich gesagt:Den KÖNNEN sie nicht bearbeiten, das GEHT nicht. Als ich freundlich zurückfragte, WARUM das nicht geht, der Widerspruch ist doch da, sagte man mir ernsthaft: Da könnte ja jeder kommen, und wo kämen wir denn da hin. Ja, wo kämen wir denn da hin?, fragte ich, aber ich habe keine Antwort bekommen, ich sei eine kluge Person und könne mir das selber überlegen.

Hier das Ergebnis meiner Überlegungen:

Worst case I. Leute wohnen einfach irgendwo, ständig kommen neue Leute dazu und wollen auch wohnen, und es werden immer mehr und das mit dem Wohnen-wollen nimmt gar kein Ende, und schließlich bilden die sich alle ein, sie hätten ein Recht darauf irgendwo zu wohnen, und sehen nicht ein, warum sie das nicht sollen. – Es gelang mir irgendwie nicht, das schlimm zu finden. Als Betroffene bin ich da aber vielleicht parteiisch.

Worst case II. Leute finden gefallen am Verschleppen von Anträgen. Pünktlichkeit wird als Tugend entwertet, zumal von den Arbeitslosen, die damit ihre „Wiedereingliederungschancen“ ins Bodenlose senken. Die Gesellschaft fällt auseinander, weil niemand mehr pünktlich zu Terminen erscheint, nicht einmal privaten Verabredungen. Sozialkontakte werden unmöglich, die Vereinsamung der Menschen erreicht ihren Höhepunkt. Die Produktion bricht zusammen und vereinzelt wird wieder Subsistenzwirtschaft betrieben. Wer Feldarbeit nicht beherrscht oder nicht mag, verhungert kläglich. – Ich kann keine Hacke bedienen, da will ich auch nicht hin. Vielleicht haben die beim Amt doch recht. Im Gegensatz mir durchschauen sie die Zusammenhänge halt besser.